Freitag, 3. September 2010

Eindrücke aus Haiti


Haiti: Land der ehemals großen Gegensätze. Land der jetzt noch viel größeren Gegensätze. Nach dem Beben fehlte es direkt an allem. Jetzt bekommt man für entsprechend viel Dollar alles. Vom einfachen Wasser und Lebensmitteln bis hin zu gutem Essen im Nobelrestaurant. Sogar ein Pizzaservice findet sich. Auch auf den Straßen scheint das Leben weiter zu gehen. Der Verkehr läuft unablässig. Die Taptaps sind bunt wie vorher. Die Straßenhändler verkaufen auf der Straße wieder ihren Rohrzucker, Schuhe, Obst und vieles mehr.


Je weiter man aber eintaucht, ins Haiti nach dem Beben, so erkennt man die Zerstörung nicht nur auf der Straße, sondern auch im Herzen der Menschen. Tiefe Trauer und Schrecken, die geblieben sind und tief in den Menschen stecken. Eingefallene Häuser, Trümmerfelder, große Zeltstädte. Auch viele Orte, die einem in Erinnerung waren, und nun dem Erdboden gleich sind. Gespräche, die ins Stocken kommen. Tränen, die gestandenen Männern in die Augen getrieben werden, wenn man auf das Erdbeben zu sprechen kommt.


Doch wo ist die Hilfe geblieben? Am Airport in Port-au-Prince stehen keine Hilfsgüter mehr bzw. kommen keine regelmäßigen Hilfstransporte mehr an, wie man es aus dem Fernsehen kennt. Einzelne Hilfsorganisationen mit ihren Camps, wie „Ärzte ohne Grenzen“, findet man am Straßenrand. Kein großes Baugerät, vielmehr Menschen, die in der Hitze die Zementreste der Häuser mit kleinen Hämmern zerschlagen. In den Abendstunden regnet es plötzlich, es blitzt und donnert heftig. Man ist in Gedanken bei den Menschen, die draußen in den Zeltstädten leben. Wie geht es ihnen? Auf einem Schild vor einem der zahlreichen Zeltstädten steht: Wir brauchen Hilfe, Nahrung, Wasser, Zelte und Ärzte. Am Ende des kurzen Aufenthalts in Port-au-Prince bin ich froh, wieder nach Hause fliegen zu können. Wie wird es aber den Menschen hier ergehen, die ihr eigenes zu Hause verloren haben?










Inzwischen hört und liest man nicht mehr viel über Haiti. Andere Katastrophen und Unglücke sind ins Blickfeld der Menschen geraten. In den Artikeln liest man, Haiti sei für Spender weniger interessant geworden. Viele Hilfsgüter seien jetzt auf den Weg in andere Krisengebiete. An anderer Stelle heißt es: Unglück ist für Zuschauer in, aber nicht mehr in Haiti, sondern dort, wo es gerade aktuell geschieht. Haiti ist Pakistan, Erdbeben ist Überschwemmung, Unglück ist Unterhaltung geworden. Die Welt brennt. Doch Haiti darf weiter nicht vergessen werden, es braucht weiterhin Hilfe, genauso wie andere Länder. Der Aufenthalt in Haiti war nur ein kurzer Moment - wie das Erdbeben selbst, das etwa eine Minute dauerte. Es bleibt ein anhaltender Eindruck von Zerstörung und Armut, den ich nicht vergessen werde.


Dr. med. Heiko Faber

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