Sonntag, 6. Januar 2013

Inselstaat in Not: Haiti, das Land der Waisenkinder

Zehntausende Kinder in Haiti leben in Heimen. Ihre Betreuer wollen sie in der Heimat halten, doch das illegale Adoptionsgeschäft blüht. von Thorsten Schröder
Es ist Mittag, doch Tageslicht dringt kaum in die Räume. Strom gibt es nicht, die durchgelegenen Matratzen auf den Metallbetten sind nur schemenhaft zu erkennen. Wenige Meter neben der offenen Toilette bereitet Emilienne Pamphile das Essen vor. Es gibt Reis mit Bohnen und Huhn, gekocht wird über offenem Feuer, gegessen auf dem Boden. Für die Kinder der Fondation Manmie Doune im Außenbezirk der Hauptstadt Port-au-Prince ist dieser Ort die einzige Zuflucht, die sie haben.
Tausende hätten nach dem Beben vom Januar 2010 einfach auf der Straße gelebt, weil die Eltern ums Leben gekommen seien, erzählt Josue Pamphile, der Leiter von Manmie Doune. Viele, die überlebten, geben auch heute ihre Kinder noch weg, weil sie bereits vier oder fünf haben. Sie können sich die Schulausbildung nicht leisten oder hoffen, dass ihre Kinder zumindest eine warme Mahlzeit am Tag bekommen. In den Notlagern ist auch zu wenig Platz. Edouardo Valcin ist sieben Monate alt. Seine Mutter starb nach der Geburt, sein Vater ist niemandem bekannt. Pamphile fand ihn vor dem Haus in einem Karton.
Heute leben mindestens 30.000 Kinder in den Waisenhäusern von Haiti, manche schätzen die Zahl auf 50.000. Mal sind es große, gut ausgestattete Institutionen mit internationaler Hilfe; doch viel häufiger findet man kleine Einzimmer-Herbergen, denen es am Nötigsten fehlt. Viele Heime wurden vom Beben zerstört, neue wurden in aller Eile aus dem Boden gestampft.
Auch das Kinderheim von Pamphile musste in Port-au-Prince neu anfangen, weil das alte Gebäude im südlichen Cayes das Beben nicht überstanden hatte. Seit die wohlhabende Spanierin, die das Haus in den ersten Jahren unterstützt hatte, durch die Katastrophe ums Leben kam, ist es auch für das Kinderheim von Pamphile eng geworden. "Das Erdbeben hat uns zerstört", sagt er. Die elf Mitarbeiter arbeiten ehrenamtlich, Geld- und Sachspenden kommen nur von Privatleuten. "Wir müssen viele Kinder ablehnen." Hilfe von der haitianischen Regierung oder internationalen Organisationen bekommt er nicht. "Sie interessieren sich für kleine Einrichtungen wie unsere doch gar nicht", sagt Pamphile. Jetzt hängen die Hoffnungen am deutschen Verein ManmieDoune HELP for Haiti. Ab Februar soll er Gelder sammeln und Helfer entsenden.

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