Montag, 1. April 2013

Freitag

Aquin war, als ich es das letzte Mal vor etwa 12 Jahren sah, ein kleines Fischer-Städtchen mit langen, wilden Stränden mit Unmengen von Kokosnusspalmen. Jetzt eine sehr saubere kleine Stadt. Leider hatten wir nicht die Zeit die Strände zu sehen, ich hoffe es gibt sie noch. Wir treffen uns ganz früh mit Claudette Coulanges. Eine wunderbare, beeindruckende Frau. Sie hat den Kontakt für die  nächsten Grundstücke gemacht, und eine Freundin von ihr wird uns begleiten. An der Abzweigung des Ortes Vieux Bourg d'Aquin geht es Richtung Meer auf der Sandstrasse 208 Richtung Cote de Fer. Für mich eine Überraschung, denn diese Region war zu meiner Zeit in Haiti nicht erschlossen. Der jetzige Präsident Michel Martelly ist aus der Gegend und ließ hier eine riesige autobahnbreite Sandstrasse bauen. Es ist wirklich eine Piste, wo man 60 km/h fahren kann, was ja auf den Straßen von PaP meist nicht geht. Jeder Präsident, oder auch Senator versucht etwas für 'seine' Region zu tun. Aristide erschloss im Raum PaP die Route Frère, da er dort große Ländereien hatte. Ebenso wurde die Straße nach Port Salut (sein Geburtsdorf) total erschlossen und geteert. Ich sehe mindestens 20 schwere Fahrzeuge in einem Lager. Landeinwärts wird vom Verkehrsministerium ein großes Grundstück bebaut, was nach einem Lagerplatz für den Straßenbau aussieht. Ich könnte mir vorstellen, dass diese Straße geteert werden soll. Wir besichtigen nach ca. 5 km das erste Grundstück. Ein Anwesen von etwa 20 Caro. Zwar alles nur Stachelbüsche, aber man könnte was draus machen. Allerdings auf die Frage, wo denn das nächste Dorf, oder die Kinder seien, war die Antwort 'es gibt die schon und wenn mal eine Schule ist, dann ziehen die Leute auch her'. Das Grundstück ist leicht hügelig, Preis wollte nicht genannt werden, das würde man dann bei Interesse für Vertrag aushandeln. Zum nächsten Grundstück geht es nochmals 32 km auf der Sandstrasse weiter. Wir sind aber schon nach 50 Minuten am Ziel. Rechts sieht man manchmal das Meer und einige Fischer im Einbaum, links leicht hügelig, die Erde scheint ok, aber durch die Trockenheit nur Stachelbäume. 




frischer Obstsalat
Blick vom Grundstück

Eingang zum Grundstück
Kirche in Aquin




Hütten versteckt, Kinder. Sehr ärmlich. Wir kaufen Brot bei einem Jungen an der Straße. Er erzählt, dass er irgendwo in Leogane!!! zur Schule geht. Es gibt sonst nichts. Irgendwo nach 30 km finden wir den ersten „Supermarket“, eine kleine Verkaufshütte und kaufen uns nochmals Wasser. Dort kennt man auch den Eigentümer des Grundstückes und ist bereit, mit uns dahin zu fahren. Es gibt ja nirgends einen Zaun. Wir finden das verlassene Anwesen, alle wohnen in Port au Prince. Die Region heißt „puit sale“ und liegt zwischen dem Ort  Mouillage Fouquet et Cote de Fer. Der Eigentümer hat ein großes Grundstück zum Strand und an der anderen Seite ca. 15 Caro zu den Bergen hin. Die Gegend ist leicht hügelig und erst weiter hinten ein etwas höherer Bergzug. Man kann nach Wasser bohren, es soll aber durch die Nähe zum Meer brackig sein, aber zur Landwirtschaft möglich. Das Meer interessiert die Leute hier nicht, also gibt es auch keinen Trampelpfad zum Strand. Total zerkratzt an den Beinen und in Stacheln getreten, die direkt durch die Sohle der Turnschuhe gingen, gaben wir irgendwann auf, und ich machte nur ein Foto mit erhobenen Armen. Man hörte die Wellen konnte aber nichts sehen. Sicherlich kann man roden und auch Kokosnusspalmen anpflanzen. Das Grundstück - möglich was daraus zu machen. Bedarf an einer Schule sicherlich mehr als groß. Unterwegs traf ich auf eine „Hutterer“frau mit ihren drei kleinen Kindern. Sie haben in der Gegend ein Anwesen, dort auch einen Brunnen gebohrt und stellen den Leuten Trinkwasser zu Verfügung.
Gegen 13 Uhr sind wir wieder in Aquin, treffen uns nochmals mit Pater Gousse. Er erzählt von seinen Problemen, er bräuchte auch einige Schulklassen, ebenso ein Patenschaftsprojekt für seine Abiturenten. Er erzählt, dass man ihm in Petit Trou de Nippes bat eine Schule aufzubauen, als er vor Jahren dort in der Region tätig war. Er ruft den Senator der Region an, der bereit wäre, 2 Caro kostenlos für ein soziales Projekt über die haitianische Finanzbehörde zur Verfügung zu stellen. Der Senator ist leider in Port au Prince, ich soll in dort kontaktieren. Der Pater überredet uns zu essen, bevor wir nach Port au Prince aufbrechen. Er begleitet uns zum großen Platz, auf dem das Festival stattfindet und bringt uns zu einer ihm bekannten Marktfrau. Es gibt dort einen Teller mit Reis, ein Stückchen Fisch, 1 Stückchen Karotte, er bestellt auch noch einen Zitronensaft für uns. Er verabschiedet sich und wir sind dankbar, dass wir ihn kennenlernen durften. Als ich bezahle und Rachelle nachrechnet was das Essen und das Getränk gekostet haben, schreit sie laut und lässt die Gabel fallen. Pro Essen umgerechnet 4 € und das Getränk 2 €. Sie sagt: 'was!!!!Ich esse hier für 300 Gds so wenig, meine zwei Geschwister und meine Mutter haben zusammen an einem Tag nicht 300 Gds für Essen zur Verfügung.'   Tja, was soll ich da antworten???
Je näher wir Port au Prince kommen, desto stärker spüren wir, wie wir das Haiti Cherie hinter uns lassen und der Moloch Port au Prince uns wieder hat. In Carrefour die übliche Verkehrssituation. Auf einer eigentlich normalen Straße, unübersehbarer Kreuz- und Quer-Stau. Ich bleibe ganz außen, schon in 3. Reihe, es entsteht noch eine 4 Reihe, fast keine Chance für die Autos des Gegenverkehrs. Aus einer Tankstelle links schiebt sich noch ein Taptap und dahinter gleich weitere auf die Gegenfahrbahn um auf meiner Seite 'einzufädeln'. D.h. aber, dass die Gegenseite nun total zu ist. Das sind die typischen Staus, bei denen gar nichts mehr geht mehr, da keiner weder nach hinten noch nach vorne kann. Wie dem auch sei, endlich irgendwie nach langer Zeit, konnten wir uns wieder in die zweite Spur einwechseln. Es war dann so, dass die ganze rechte Straßenseite kaputt war, also die Straße eng wurde und dann mitten drin ein Auto stand, die Motorhaube oben und der Mechaniker schraubte in Seelenruhe drin rum. Leider war ich so mit dem Fahren/Stehen beschäftigt und konnte kein Foto machen. Etwas weiter kurz vor Einfahrt nach Port au Prince, alles nur Slums, kaputte Straßen, Abfall, Gestank, einfach grausig, links und rechts eine Halde mit Holzkohlensäcken. In einer Dreckkloake, wo ich nicht mal ausgestiegen wäre, mitten unter allen Leuten war nun eine Frau, die sich immer wieder mit dieser Kloake das Gesicht wusch. Das hat mich so ergriffen, ich kann es gar nicht ausdrücken.
Roswitha

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