Samstag, 7. Dezember 2013

Dienstag, 03.12.2013


Für unser Projekt in Maissade haben wir uns vorgenommen, möglichst viel Material aus dem Land zu beziehen, also von haitianischen Firmen zu kaufen und von haitianischen Arbeitern herzustellen. Dazu sollten unsere Ingenieure aber wissen, wo sie gutes Material herbekommen. Ich machte den Vorschlag, mal einen Tag lang die Hardware-Shops in Port-au-Prince anzuschauen. Heute sollte der Tag sein. Um 7:00 Uhr wollte ich Guerino bei Henfrasa treffen, kam aber leider statt um 6 Uhr erst um 10 Minuten nach 6 Uhr aus dem Haus, und prompt war der  Verkehr schon so dicht, dass ich für die paar Kilometer bis 7:30 Uhr unterwegs war. Für die letzten hundert Meter brauchte ich ca. 15 Minuten: Es waren wieder etliche TapTaps am Zusammenbrechen und standen dann mit Panne mitten auf der Straße, wo natürlich gleich mit der Reparatur begonnen wurde- ohne Rücksicht auf den nachfolgenden Verkehr.
Beim Herunterfahren hielt ich vor einer Kurve an und ließ einen kleinen Jungen auf die Ladefläche aufsteigen, leider nahm ich gar nicht wahr, dass hinter der Kurve fünfzehn andere Schüler schon auf eine Mitfahrgelegenheit warteten. Kaum hatte ich angehalten, waren auch schon alle auf die Ladefläche aufgesprungen. Mein „C’est trop!“ interessierte nur drei kleine Mädchen, die erschrocken wieder absprangen. Die Straße vom Montagne-Noire hinunter ist immer noch die reinste Seifenbahn, immer noch hat sich keiner um die defekten Wasserrohre gekümmert, das Wasser läuft und läuft, die Autos rutschen und manche sind mit schlechten Reifen bestückt eine echte Gefahr für die Fußgänger, die auch mehr schlecht als recht herumrutschen. Wir haben es aber schließlich geschafft und sind heil in Petionville angekommen. Für mich ging es dann weiter herunter in die Stadt.
Bei Henfrasa angekommen erledigten wir erst mal die Patenschaftsunterlagen im Comité-Büro und machten uns dann auf den Weg Richtung Croix de Bouquet bzw. Noaille, dem Zentrum für Eisenkunst in Haiti. Ich war schon so viele Male hier in diesem Land und noch nie bin ich bis Noaille gekommen, obwohl ich schon so viel davon gehört hatte. Die Künstler oder besser Kunsthandwerker waren schon fleißig bei der Arbeit und das ganze Quartier war erfüllt von Klopfgeräuschen auf Metall. Gleich beim ersten Shop kamen wir zum berühmten Eisenkünstler Jolimeaud, der seine Sachen in die ganze Welt verkauft. Die ausgestellten Objekte haben uns sehr gut gefallen.  Wir sind natürlich nicht nur wie Touristen unterwegs, sondern auch mit ganz konkreten Bitten um Kostenvoranschläge für Fenster und Türen. Weitere Shops steuern wir an und können nur staunen über den unendlich scheinenden Ideenreichtum der Handwerker. 



Wunderbare Paravents, Panneaus zum Einsatz in Fenster oder Türen, schmale Panneaus, kleine, große, runde, eckige und ganze Einfahrtstore, Laternen, Mülleimer und sonstige Objekte. Der Ort wird richtig zum Touristentreffpunkt hergerichtet, die Straßen neu gepflastert, Beleuchtung installiert, Plätze geschaffen. Eher durch Zufall fanden wir auch noch das Atelier des Künstler Ti Jacques Robert, der bei Arte in der Reportage über Haitis „Kunstkrieger“ zu Wort kam. Es baute sich nach dem Erdbeben 2010 eine völlig neue Kunstszene in Haiti auf. Die Mitglieder verarbeiten Alltagsgegenstände und Müll zu Objekten. Jacques Robert beschäftigt sich mit der haitianischen Geschichte, Voodoo und Guinea, dem Sehnsuchtsland aller in der Karibik lebenden Schwarzen. Ich konnte nicht widerstehen und musste zwei kleine Objekte kaufen. Nach zwei Stunden brummte uns der Schädel und noch war kein Ende der Shops in Sicht. Wir wollten nicht mehr weitergehen und machten uns mit viel Informationen und Preisen zurück nach Port-au-Prince auf unsere Hardware-Tour. Bei etlichen Geschäften schauten wir uns hochwertiges Baumaterial, Innenausstattung, Solaranlagen, Werkzeug an. Wir schrieben auch da wieder viele Preise zum Vergleichen auf und kamen zum Ergebnis, dass es in Haiti alles zu kaufen gibt und kaum zu anderen Preisen als in Deutschland. Es rentiert überhaupt nicht, für Baumaterial einen Container zu packen. Einzig die Suche nach einer Wasserpumpe für Handbetrieb war gar nicht erfolgreich. Keines der Geschäfte hatte dies im Programm. Im letzten Laden, den wir gerade noch vor Ladenschluss erreichten, gab man uns nochmal zwei Adressen. Vielleicht werden wir doch noch fündig. Um kurz vor Schluss erreichten wir auch die Schulbuchdruckerei Deschamps und konnten noch unsere Buchbestellung loswerden. Alles wird zusammengestellt und wir können die Bücher morgen abholen und bezahlen. Ich bin froh, dass ich heute bei Helligkeit um 17.00 Uhr schon zurück ins Paradies komme.
Zu Roswitha, die heute den ganzen Tag über Projektabrechnungen saß, sagte ich, dass das Wort „infernalisch“ in Haiti entstanden sein müsse, denn der Verkehr tagsüber im Gemisch mit der Hitze, dem Staub und Gestank, den Abgasen und der Dunstglocke über der Stadt hat etwas vom Höllenvorhof.
Morgen gehen wir auch schon wieder um 6 Uhr morgens aus dem Haus, damit wir unser Soll, oder wie schon neulich gesagt, die Hälfte davon, erfüllen können.
Cornelia Rébert-Graumann

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