Frühstück im Baustellenhotel.
Wir haben sehr gut geschlafen
und warten morgens auf unser Frühstück.
Madame serviert einen außerordentlich guten Kaffee, Brot und Bananen
bringen Guivens und Guerino mit. Wir machen uns gegen 8 Uhr auf den Weg, wollen
noch kurz bei der FAM vorbei und Marilla einen guten Tag sagen, sie erhält von
uns ein Buch „Mama Miti-mere des arbres“. Zur Nachahmung für sie gedacht…
Weiter geht es nach Billiguy, die Straße ist dermaßen
schlecht nach der Regenzeit. Die Flüsse so stark ausgebaggert und die Steine
abtransportiert, dass nur noch Treibsand im Flussbeet ist. Wir haben große Mühe,
überall durchzukommen. Endlich, nach 1,5 Std Fahrzeit für die 11 km sind wir
da. Es ist große Pause, alle Kinder sind im Hof versammelt und wir werden mit
großem Hallo begrüßt. Wir nehmen nochmals alle Baumängel und noch auszuführenden
Arbeiten auf, um uns anschließend mit dem Direktor zusammenzusetzen. Das
Kinderbuch „Mama Miti“ hatten wir eigentlich als Klassenlektüre für die 3.
Klasse gedacht. Leider konnte noch kein einziges Kind in der 3. Klasse lesen.
Also weiter in die 4. Klasse- auch dort erweist es sich als sehr mühsam, einen
kurzen französischen Text zu lesen. Verstanden hatte esniemand…. Also dann noch
weiter in die 5. Klasse. Dort endlich konnte ein Mädchen relativ flüssig einen
französischen Text vorlesen und auch das Gelesene wiedergeben. Roswitha
erklärte, warum wir das Buch gekauft haben und dass wir über den Text gerne
beim nächsten Besuch sprechen wollten. Nebenbei kontrollierten wir die beim
letzten Besuch für alle Klassen gekauften Schulbücher. Verabredet war ganz
klar, dass die Bücher nur eine Leihgabe von HKH sind und in gutem Zustand
gehalten werden sollten, damit sie immer den folgenden Klassen übergeben werden
konnten. Einbindematerial und Klebeband wurde damals mitgeliefert. Leider stellten
wir bei unserer Kontrolle fest, dass nur ein Teil der Bücher eingebunden ist.
Wir werden ziemlich ungehalten und fordern von den Lehrern eine Erklärung.
Jeder schiebt die Verantwortung weiter, letztlich auf den Direktor, der
angeblich kein Tesaband mehr hatte. Wir stellen fest, dass die ersten beiden
Klassen entgegen unseres Vertrages nicht mit 34 Schülern sondern mehr als 50
Schülern besetzt sind. Die für jede Klasse vorgesehenen 17 Doppelsitz-
Schulbänke waren nicht so eingeräumt wie vorgesehen, es fehlten in jedem Raum
einige Bänke, da er die kleinsten Bänke kurzerhand für die Vorschule verwendet
hat. Dafür saßen dann auf den Bänken, die für zwei Schüler vorgesehen sind, oft
bis zu vier Schüler. Kein Platz zum Schreiben oder ein Heft aufzuschlagen. Auch
deshalb stellen wir den Direktor energisch zur Rede. Er schiebt die Verantwortung
auf die Baptisten-Mission, die ihm sein Gehalt nicht zahle und er deshalb die
Schülerzahl erhöhen müsse, damit über das eingenommenen Schulgeld sein
Einkommen gedeckt sei, da nur ein geringer Teil der Schüler das Schulgeld
überhaupt aufbringen könne. Ein großer Missstand in unseren Augen. Die Stimmung
wird immer gereizter und wir fordern ein Treffen mit den Lehrern nach dem
Unterricht ein. Zwischenzeitlich schauen wir auch, was der Agronom mit den
Schülern bereits gepflanzt und aufgezogen hat. Leider ist auch da das Ergebnis
meilenweit von unserer Vorstellung entfernt. Er gibt in der 3. und 4. Klasse
jeweils an zwei Tagen irgendwelchen Unterricht, wir können aber nicht erkennen,
in welcher Weise die Kinder einen Erkenntnisgewinn haben, da sie eigentlich nur
gekaufte Sämlingen in Aufzuchttüten eingepflanzt haben und diese dann
regelmäßig gießen dürfen. Wir stellten uns vor, dass sie aus Saatgut oder aus Ablegern
selber Pflanzen anziehen und sie dann so lange hegen, bis sie an einem
bestimmten Platz ausgepflanzt werden. Leider sehen wir gar nichts davon. Die
von uns bezahlten Gartengerätschaften sind zum Teil vorhanden. So ähnlich
verhält es sich auch beim Handarbeitsunterricht. Es wurden nur Mützen gehäkelt und
Stickproben hergestellt. Positiv fanden wir, dass nicht nur Mädchen, sondern
auch Jungen am Handarbeitsunterricht teilnehmen. Ein weiteres negatives Erlebnis
war die Verschwendung des Wassers aus dem Wasserreservoir. Der Hahn lief praktisch
die ganze Zeit, während die Schüler sich im Hof aufhielten. Wir konnten das gar
nicht glauben und stellten auch hier wieder den Direktor zur Rede. Sein „Il y a
du problem…“ konnten wir schon gar nicht mehr hören und waren inzwischen
stinkesauer. Wir finden, dass er seine Direktorenstellung ganz schlecht
ausfüllt und total überfordert wirkt. Beim anschließenden Lehrergespräch
meldeten sich die verschiedenen Lehrer zu Wort und beklagen ihrerseits die
unhaltbaren Zustände mit bis zu 50 Kindern in einer Klasse. Das Certifikat nach
der sechsten Klasse bestand nur ein Anteil von 50% der Schüler, was in unseren
Augen auch ein Zeichen dafür ist, dass die Kinder keinen guten Unterricht
erhalten. Nach unserem Verständnis konnten wir nicht nachvollziehen, dass
keiner der Lehrer z.B. eine Förderstunde für Schüler anbietet, die vielleicht
einen Stoff nicht richtig verstehen und manchmal nur für kurze Zeit einen
intensiveren Unterricht brauchen, um weiter am Ball zu bleiben. Inzwischen war
die Stimmung bereits auf den Nullpunkt gesunken, da wir die Zahlung der noch ausstehenden
Gehälter seit August ablehnten, bis alle Schulbücher inventarisiert und
eingebunden sind. Wir verwiesen darauf, dass es eine klare Abmachung gab, wie
mit den Büchern umzugehen sei. Es erklärten sich mehrere Lehrer bereit bis nach
Maissade zu fahren und das fehlende Material zu holen. Sie baten uns darum,
nochmals zum Ende der Woche zu kommen und die Bücher zu kontrollieren.
Wir machen Schluss für heute und fahren nach Maissade
zurück. Von sieben Lehrern nehmen sechs die Gelegenheit wahr, auf der
Ladefläche mitzufahren. In Maissade angekommen zahlen wir pro Lehrer einen Vorschuss
von 1000 Gourdes aus. Wir müssen noch weiter zu Pastor Colas, dem Leiter der
Schule in Billiguy und sprechen das leidige Thema der Bezahlung des Direktors
an. Die Baptisten-Mission hat ohne Erklärung die Zuwendung von 7.000 Gourdes
monatlich auf 3.500 Gourdes reduziert. Er kann den Direktor also nicht wirklich
angemessen bezahlen. Wir diskutieren lange darüber, kommen aber zu keinem
annehmbaren Ergebnis und vertagen unser Gespräch auf die nächsten Tage. Es muss
auf jeden Fall eine Entscheidung fallen auch in Anbetracht, dass der Sohn des Direktors,
der Lehrer an der Schule in Billiguy ist, zur gleichen Zeit zwei junge Mädchen
geschwängert hat. Rowitha und ich redeten darüber noch längere Zeit und kamen
zum Ergebnis, dass dieser junge Mann auf keinen Fall mehr weiter beschäftigt werden
sollte. Die Vorbildfunktion als Lehrer hat er mit seinem Verhalten massiv
verletzt. Wir werden dem Direktor
vorschlagen, seinen Sohn zu entlassen und einen neuen Lehrer einzustellen. Am
Donnerstag geht´s weiter…
Guivens und Guerino laden uns zu einem eiskalten Bier ein.
Wir fahren anschließend in unser Baustellenhotel und finden es eigentlich schon
ganz gemütlich hier als einzige Gäste.
Cornelia Rébert-Graumann
Kurzer Nachtrag von Roswitha Weiß:
Leider ist unser Zimmer ein Moskitonest und Conny hat
alleine im Gesicht 14 Stiche. Die Fenster haben keine Netze, das Licht ist
überall an, wenn es geht und entsprechend anziehend für die Moskitos. Auch
scheint die Baustelle schon sehr alt zu sein. Aber nicht jammern, wir haben ein
Bett!
Erster Besuch bei Marillia, der Leiterin der
Frauenorganisation in Maissade. Wir erklären ihr unseren Traum von einer Aufforstung
in Haiti und Conny schenkt Ihr das Buch ‚Mama Miti – Mütter der Bäume‘.
Marillia erklärt uns, dass die Weltbank die Finanzierung der
Schulspeisung in der Region leider fast völlig eingestellt hat. Sie musste
bereits Frauen entlassen. Sie versuchen aber ihre Artikel an alle Supermärkte
in Port au Prince und anderen großen Städten zu verkaufen. Es wäre eine gute
Idee, wenn wir Kontakt mir Faire Traide oder Gepa aufnehmen könnten, vielleicht
könnten Sie auch über diese Kette Ihre Artikel absetzen.
Wir fahren weiter nach Billiguy, als Wege nur noch
ausgewaschene Streifen, mit tiefen Gräben. Wir versuchen doch mit dem Auto
hinzukommen. Es gab einzelne Stellen, wo ich mir sicher war, dass es einfach
nicht mehr weiter geht und wir uns irgendwo einen Esel mieten und einfach zu Fuß
weitergehen müssen. Guivens ging teilweise vor dem Auto und schaute immer die
nächsten Meter an und winkte uns vorsichtig über die Löcher. Wir schafften es
dann doch.
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